Eine gemeinsame Erklärung zum Krieg in Israel und Gaza (vom 24.10.2023)
Noch immer lähmt uns Entsetzen und der Schock angesichts des pogromartigen, antisemitischen und frauenverachtenden Terrors gegen unschuldige israelische Zivilist*innen am 7. Oktober und die dadurch bereits entfesselte Spirale der Gewalt. Die fehlende Aussicht auf eine baldige gewaltlose Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern verursacht bei vielen Menschen auf beiden Seiten des Zauns und ihren Angehörigen und Freunden Gefühle von Ohnmacht, Verzweiflung und Wut. Inmitten dieses Irrsinns möchten wir ein gemeinsames Zeichen für Gewaltlosigkeit, Humanität und Heilung setzen.
Der Konflikt wird bereits auch auf den Straßen der Welt, vor allem aber in den Echokammern der sozialen Medien ausgetragen. Die Kampfhandlungen werden begleitet von einem medialen „Krieg der Bilder“. Dieser Krieg der Bilder ist Teil des Kalküls der terroristischen Hamas. Menschen sollen emotionalisiert und zum Hass auf Andere angestachelt werden. Der Konflikt soll als Auseinandersetzung zwischen Muslim*innen und Nicht-Muslim*innen wahrgenommen werden. Das unweigerliche Ansteigen von antimuslimischem Rassismus – so ist es immer, wenn vorgeblich im Namen des Islam Terroranschläge verübt werden – wird bewusst in Kauf genommen, ja es ist geradezu ein strategisches Ziel der Hamas und ihrer ideologischen Verwandten.
Damit dürfen sie keinen Erfolg haben! Wir fordern alle Menschen, die sich emotional vom Konflikt und dem aktuellen Ausbruch der Gewalt betroffen fühlen auf, weiterhin (und jetzt erst recht!) das Gespräch miteinander zu suchen und sich nicht spalten und gegeneinander aufhetzen zu lassen.
Die Zukunft der israelischen Regierung, allen voran die von Premier Netanyahu, wird in Israel offen diskutiert. Viele sehen ihn und seine rechte Regierung in der (Mit-)Verantwortung für diese Entwicklung und diese Eskalation der Gewalt. Die nächsten Wahlen werden über ihr Schicksal entscheiden. Die israelische Gesellschaft befindet sich an einem Scheideweg. Dazu gehört auch die Frage, ob die Antwort auf den Terror internationales Recht respektiert oder den Weg kollektiver Bestrafung geht.
Die Palästinenser*innen im Gazastreifen dagegen haben schon seit Langem keine Möglichkeit, selbst über ihr Schicksal zu entscheiden und sind auf Solidarität und Versorgung von außen angewiesen. Die Bevölkerung des Gazastreifens hat deshalb jede Solidarität verdient und diese äußern zu können, darf nicht automatisch mit Antisemitismus gleichgesetzt werden. Solidarisch zu sein mit dem berechtigten Wunsch der Palästinenser*innen nach Selbstbestimmung und einem Leben in Sicherheit und Würde darf aber nicht bedeuten, den Terror der Hamas in irgendeiner Weise zu legitimieren. Es muss jetzt für alle klar sein, dass die totalitäre Hamas nicht Teil dieser Bewegung für gleiche Rechte aller Menschen in der Region sein kann. Israelis und Palästinenser*innen werden auch weiterhin Seite an Seite in der Region leben und es kann nur dann eine Zukunft für beide Seiten geben, wenn nicht länger die Fantasie der Eliminierung des anderen das Handeln bestimmt.
Antisemitismus ist eine reale Bedrohung jüdischen Lebens – und die sich bereits abzeichnende neue Welle judenfeindlicher Verschwörungsfantasien bereitet uns große Sorgen. Aber weder kann Antisemitismus mit antimuslimischem Rassismus begegnet werden, noch darf der Rassismus in unserer Gesellschaft als Rechtfertigung missbraucht werden, der grassierenden Terrorpropaganda aufzusitzen.
Wir wissen, dass auf den Dialog in unserer diversen Gesellschaft neue, schwierige Herausforderungen zukommen. Aber gegen die drohende Spaltung unserer Gesellschaft können wir nur gemeinsam einstehen. Hier wie dort.
Prof. Dr. Zekirija Sejdini
Institut für Islamische Theologie und Religionspädagogik, Universität Innsbruck
Dr. Hanno Loewy
Jüdisches Museum Hohenems
Arnon Hampe, Dipl.-Pol.
#OhneAngstVerschiedenSein
Die gemeinsame Erklärung zum Krieg in Israel und Gaza (als pdf) ►