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In Gedenken an Herbert Pruner

Herbert Pruner (1939–2024)

Herbert Pruner gehörte zu den ganz besonderen Menschen in Vorarlberg, deren Bescheidenheit und menschliche Tiefe untrennbar mit den Katastrophenerfahrungen des 20. Jahrhundert verbunden war.

Von 2002 bis 2016 gehörte er dem Vorstand des Fördervereins des Jüdischen Museums in Hohenems an. Seine Beiträge zur Erinnerungskultur in Vorarlberg gingen freilich weit darüber hinaus.

Als er nach vierzehn Jahren Vereinsengagement im Vorstand des Fördervereins jüngeren Aktiven Platz machen wollte, sagte er uns: Er möchte jetzt etwas kürzer treten. Er möchte mehr Zeit mit seiner Frau Margit in der Natur verbringen und vor allem würden sie beide als Großeltern gebraucht. Er sagte das mit leuchtenden Augen. Und jedes Mal, wenn wir uns später bei Veranstaltungen im Museum trafen, erzählte er voll Freude über Besuche bei oder von seinen Enkelkindern. Es tat gut, in Zeiten von Rechtsruck, Hass und Krieg über Erfreuliches zu reden.

Aber er konnte es doch nicht lassen, sich weiter für eine produktive Erinnerung an den 2. Weltkrieg und den Holocaust, an NS-Täter und Opfer einzusetzen. Die Bregenzer Gedenkgruppe, mit der das Museum immer wieder zusammenarbeiten konnte, wurde von seinem Engagement bis heute mitgeprägt.

Herbert Pruner war ein leiser, überlegter Mensch. Jedes Gespräch mit ihm war bewegend. Scharfe Worte waren von ihm dann zu hören, wenn es um Rassismus, um Antisemitismus ging. Antisemitische Äußerungen von Politikern, Schmierereien auf dem Jüdischen Friedhof, da wurde auch der „ruhige und geduldige Mensch“, wie sich Herbert selbst charakterisierte, heftig. Für verharmlosende Rechtfertigungen wie „war ja nicht so gemeint“, „wusste nicht, dass das antisemitisch ist“ oder „bsoffene Gschicht“ hatte er kein Verständnis.

Herberts klare Haltung war der Erinnerung an seinen jüdischen Großvater Samuel Spindler geschuldet. Samuel Spindler war aus dem äußersten Osten der Monarchie, der heutigen Ukraine, als Handwerksbursche nach Vorarlberg gekommen. Hatte sich hier eine Existenz aufgebaut, hatte eine Familie gegründet, war Gewerkschafter und Stadtpolitiker, setzte sich ein für die, die im konservativ-katholischen Vorarlberg oft genug keine Stimme hatten. Er war bewusster Jude und Sozialdemokrat. Und er war – nach seinem Übertritt zum Protestantismus– ein ernsthafter Christ. Für den das Christentum vor allem ein soziales Gewissen und Engagement für alle bedeutete. Geholfen, sein jüdisches „Stigma“ loszuwerden, hat ihm das – zumal im katholischen Ländle – freilich nicht. Aber darum, sich anzupassen ging es Samuel Spindler auch nicht. Er wurde ausgegrenzt, von den Christlichsozialen als „Galizianer“ antisemitisch verhöhnt, angefeindet, zermürbt – und von den Nationalsozialisten 1942 schließlich in den Tod getrieben.

Seine berufliche Existenz hat auch Herbert Pruner jenen gewidmet, die in diesem reichen Land von Armut und Prekariat bedroht waren. Seine gesamte Berufslaufbahn verbrachte er im Arbeitsamt Bregenz. Daneben stand sein langjähriges Engagement für die Sozialdemokratie im Land, sein Wirken als Bregenzer Kulturstadtrat von 1975 bis 1981, seine vielfältigen Aktivitäten für eine bewusste Erinnerungskultur in der Landeshauptstadt, schließlich auch sein langjähriges Engagement in der Arbeitsgemeinschaft Christen und Sozialdemokratie (ACUS).

An das Schicksal und an die Werte seines Großvaters, aber auch an die Gräuel des Nationalsozialismus zu erinnern, „dazu hab ich mich verpflichtet gefühlt“, sagte Herbert Pruner – und damit war niemals irgendein persönlicher Ehrgeiz verbunden. Vorträge in Schulen, Führungen, Organisation von Veranstaltungen, die Mitarbeit an der Errichtung von Gedenkorten in Bregenz, schließlich auch seine tiefe Verbundenheit mit dem Jüdischen Museum Hohenems zeugten davon.

Herbert Pruner war ein selbstloser Netzwerker, auch für das Museum, wenn es darum ging Wege in wichtige Ministerien zu ebnen, uns mit den richtigen Persönlichkeiten zusammen zu bringen. Er machte das auf seine ruhige, vollkommen uneitle Art. Er war ein Mensch, der um die Wichtigkeit seines Anliegens für die Gesellschaft wusste und dieses Anliegen beharrlich verfolgte. Eigenwerbung brauchte er keine.

Am 13. August ist Herbert Pruner im Kreise seiner Lieben von uns gegangen.

Uns bleibt, im Sinne von Herbert Pruner, wachsam gesellschaftliche Entwicklungen zu beobachten und gegenzusteuern. „Man muss“, so betonte er immer wieder, „eine deutliche Haltung zeigen und aus der Vergangenheit Rückschlüsse für die Gegenwart ziehen.“

Möge dieser Gedanke von vielen gelebt werden.
Es möge ihm die Erde leicht sein.

Jutta Berger und Hanno Loewy

Europäische Sommeruniversität für jüdische Studien

So 7. Juli 2024, 19.30 Uhr – Vortrag von Abraham Burg (Jerusalem): Zealots throughout the Epoches. Fundamentalism, religious Zionism and Modern Judaism | Di 9. Juli 2024, 16 Uhr – Filmvorführung: ‘Til Kingdom Come – Regie: Maya Zinshtein, Israel/USA 2020 | Di 9. Juli 2024, 19 Uhr – Vortrag von Dr. Sara Yael Hirschhorn (Jerusalem/Haifa): Radical Jews. Post-1967 American Zionism and the Settler Movement | Mi 10. Juli 2024, 19 Uhr – Buchvorstellung und Gespräch mit Joseph Croitoru (Freiburg i. Br.): Die Hamas. Zwischen Widerstand und Terror, Herrschaft über Gaza und Krieg gegen Israel | Do 11. Juli 2024, 20 Uhr – Filmvorführung: The Settlers, Regie: Shimon Dotan, OF mit engl. UT

Viertel+Schesa – Viertel+Bagel – Viertel+Kuchen

Unterwegs im Jüdischen Viertel Hohenems

Viertel+Schesa* Mit dem Kinderwagen durchs Jüdische Viertel
Termine: Freitags, jeweils 10:00 bis 11:30 Uhr
5. Juli 2024 | 2. August 2024 | 6. September | 4. Oktober 2024

Ein Rundgang für alle, die mit ihren ganz kleinen Kindern einen Spaziergang machen und dabei mehr von der Geschichte des Jüdischen Viertels und seiner ehemaligen Bewohner:innen erfahren möchten. Eine Stunde lang geht es durchs Jüdische Viertel, wir hören Geschichten von Frauen und Familien, werfen einen Blick in die ehemalige Synagoge und die Mikwe, das jüdische Ritualbad. Im Anschluss an den Rundgang gibt es die Möglichkeit zum Austausch in unserem gemütlichen Musemscafé – mit Kaffee und etwas Süßem.
Information und Anmeldung 

Viertel+Bagel Öffentliche Führung durch das Jüdische Viertel mit anschließendem Cafébesuch und freiem Eintritt in alle Ausstellungen
Termine: Samstags, jeweils 11:00 bis 12:30 Uhr
6.+13.+20.+27. Juli | 3.+17.+24.+31. August | 7. Sept 2024

 Das Jüdische Viertel von Hohenems ist weit über Vorarlberg hinaus einzigartig, sein fast lückenlos erhaltenes Ensemble steht großteils unter Denkmalschutz. Unser Rundgang startet beim Jüdischen Museum Hohenems. Von hier aus erkunden wir die Straßen im Viertel und tauchen in die jahrhundertealte Geschichte der Gebäude und ihrer Bewohner ein. Anschließend laden wir Sie herzlich auf einen Bagel ins Museumscafé ein, mit der Möglichkeit sich in gemütlicher Runde auszutauschen.
Information und Anmeldung 

Viertel+Kuchen Öffentliche Führung durch das Jüdische Viertel mit anschließendem Cafébesuch und freiem Eintritt in alle Ausstellungen
Termine: Sonntags, jeweils 14:00 bis 15:30 Uhr
14.+21.+28. Juli | 11.+18.+25. August | 8. Sept 2024

 Das Jüdische Viertel von Hohenems ist weit über Vorarlberg hinaus einzigartig, sein fast lückenlos erhaltenes Ensemble steht großteils unter Denkmalschutz. Unser Rundgang startet beim Jüdischen Museum Hohenems. Von hier aus erkunden wir die Straßen im Viertel und tauchen in die jahrhundertealte Geschichte der Gebäude und ihrer Bewohner ein. Anschließend laden wir Sie herzlich auf Kaffee und Kuchen ins Museumscafé ein, mit der Möglichkeit sich in gemütlicher Runde auszutauschen.
Information und Anmeldung 

 

Do 06. Juni, 18 Uhr: Buchpräsentation auf dem Vorplatz des Jüdischen Friedhofs

Europäische Sommeruniversität für jüdische Studien, Hohenems 7. bis 12. Juli 2024

Die jüdische Geschichte ist auch eine Geschichte der Eiferer – auf der Suche nach Vollkommenheit, Gesetzestreue oder endzeitlicher Erfüllung, nach Macht oder einem Weg zu ihrem Umsturz. Zugleich waren Jüdinnen und Juden immer wieder auch Projektionsfläche des Eifers Anderer – von den Christen des Mittelalters bis zu den islamistischen Antisemiten und evangelikalen „Zionisten“ der Gegenwart. Zwischen Selbstbehauptung und Radikalismus, Stammesdenken und Universalismus war das Judentum immer wieder Austragungsort widerstreitender religiöser und politischer Visionen, eigener und fremder Utopien. Daraus entwuchsen religiöse Fundamentalismen und revolutionäre Bewegungen, ethnischer Nationalismus und dessen radikale Kritik.

Wir suchen zum ehestmöglichen Zeitpunkt eine neue

Wir erwarten ein abgeschlossenes Studium im Bereich Pädagogik, Kulturvermittlung, Museologie und/oder in einem geisteswissenschaftlichen Studienfach, sowie Praxiserfahrung in der Vermittlungsarbeit.

Monatliches Bruttogehalt nach FAIR PAY-Gehaltsschema für Kulturvereine 2024, das tatsächliche Gehalt ist abhängig von beruflicher Qualifikation und Erfahrung. Bitte richten Sie Ihre Bewerbung mit den üblichen Unterlagen bis Dienstag, 30. April 2024 an:

Hanno Loewy, Jüdisches Museum Hohenems
Schweizer Straße 5, A–6845 Hohenems
T +43 (0)5576-73989-0, office@jm-hohenems.at
www.jm-hohenems.at

Mehr: www.jm-hohenems.at/ueber-uns/jobangebote

Neue Publikation

Hg. Anika Reichwald, Julius Scharnetzky und Johannes Lauer, zusammen mit Hanno Loewy und Jörg Skriebeleit | 2024 Wallstein Verlag, Göttingen | Format: 17 x 24 cm | Klappenbroschur | 400 Seiten | 275 Abbildungen | ISBN 978-3-8353-5589-7 | € 24,70 | Wir nähern uns dem Ende einer Ära, der Ära des unmittelbaren Zeugnisablegens all jener, die den nationalsozialistischen Terror er- und überlebt haben. Ist das das Ende der Zeitzeugenschaft?

Zum unerwarteten Ableben unseres Kollegen und Freundes Bernhard Purin

6. Oktober 1963 – 15. Februar 2024

Geboren und aufgewachsen in Bregenz in Vorarlberg, wurde Bernhard Purins Interesse an Jüdischer Geschichte früh durch seinen Geschichtslehrer Meinrad Pichler geweckt. Schon als Schüler durchstreifte er mit der Kamera das damals desolate ehemalige Jüdische Viertel der unweit gelegenen Stadt Hohenems. Nach seinem Studium der empirischen Kulturwissenschaften und der neuen Geschichte in Tübingen arbeitete er 1990 und 1991 als Projektleiter am Aufbau des Jüdischen Museums Hohenems und veröffentlichte sein erstes Buch, und zwar über die Geschichte der Hohenemser Nachbargemeinde Sulz: „Die Juden von Sulz. Eine jüdische Landgemeinde in Vorarlberg 1676-1744“.

Schon in der Gründungsphase des Hohenemser Museums erwies er sich als streitbarer Kopf, der dem oft naiven Umgang mit Objekten der materiellen jüdischen Überlieferung mit Kenntnis und kritischer Verve begegnete und auf genauer Objektrecherche bestand. Daneben legte er auch den Grundstein für die Entwicklung der genealogischen Recherchedatenbank des Museums. So ist das Museum bis heute von seinem kritischen Geist und seinem Sinn für‘s Netzwerken geprägt.

Zwischen 1992 und 1995 war Bernhard Purin Kurator am neu gegründeten Jüdischen Museum Wien. Hier initiierte er das Wiener Jahrbuch für jüdische Geschichte, Kultur & Museumswesen, das er auch hauptverantwortlich herausgab. Mit seinem Beitrag „Jüdische Geschichte und Kultur in österreichischen Museen und Ausstellungen“ im ersten Band dieses Jahrbuchs legte er einen wesentlichen Grundstein für die Erweiterung einer Gesamt-Bibliographie zum Thema Jüdischer Historiographie, Kultur-, Zeitgeschichte und Kunst in Museen. Während eines Forschungsaufenthaltes an den Central Archives for the History of the Jewish People fand er das Inventarbuch des weltweit ersten Jüdischen Museums, wodurch die Wiener Vorkriegssammlung peu à peu rekonstruiert werden konnte. Mit der Ausstellung „Beschlagnahmt. Die Sammlung des Wiener Jüdischen Museums nach 1938“, nahm 1995 in Wien die Aufarbeitung von Geschichte und Schicksal des historischen Jüdischen Museums in Wien seinen Anfang.

1995 wurde er zum Leiter des Jüdischen Museums Franken in Fürth ernannt, wo er mit ironischen Zugängen zur Jüdischen Geschichte und Gegenwart einige produktive Kontroversen auslöste – Auseinandersetzungen, die er mit Unterstützung der Fachwelt und der Trägerschaft des Museums, aber auch mit dem Zuspruch des interessierten Publikums durchstehen konnte. 2002 folgte seine Berufung als Gründungsdirektor des Jüdischen Museums München, das er 2007 eröffnen konnte – und dessen Leitung er bis zuletzt innehatte. Unter Bernhard Purins Leitung war München über all die Jahre ein Ort innovativer Ausstellungsinhalte und Gestaltung, sowie ein begehrter Projektpartner. Zu einer seiner kulturgeschichtlich originellsten Ausstellungen gehörte dabei sicherlich 2016/17 „Bier ist der Wein dieses Landes. Jüdische Braugeschichten“. Prinzipiell gehörte es zu seinen Stärken, immer die thematisch-inhaltliche Anbindung an den Ort seines Wirkens im Auge zu behalten. In der Landeshauptstadt war er auch an der Entwicklung des 2017 eröffneten Erinnerungsorts für die Opfer des Olympia-Attentats führend beteiligt. 2022 koordinierte er mit seinem Team und in Zusammenarbeit mit einer Reihe von anderen Münchner und bayerischen Einrichtungen ein zwölfmonatiges Erinnerungsprojekt „Zwölf Monate – Zwölf Namen“, das jeden Monat einem der 1972 Ermordeten gedachte.

Bernhard Purin war weltweit als Experte für Judaica geschätzt und in ständigem Austausch mit Sammlerinnen und Sammlern. Seine Liebe zu jüdischen Ritualgegenständen kam nicht nur in solch großen objektbasierten Ausstellungen wie beispielsweise 2018 in „»Sieben Kisten mit jüdischem Material« Von Raub und Wiederentdeckung 1938 bis heute“ zum Ausdruck sondern auch in vielen kleineren Präsentation wie 2009 „Schilder- und Metallkunst Heinrich Schwed. Judaica aus einer Münchner kunstgewerblichen Werkstätte“ oder 2014 „Samsons Leuchter – Ein Chanukka-Leuchter aus dem Besitz der Familie Wertheimer“ sowie in zahlreichen fundiert recherchierten Einzelpublikationen.

Auch die internationale Vernetzung der Jüdischen Museen untereinander hat er stark geprägt. Von 2001 bis 2007 und von 2013 bis 2018 gehörte er dem Vorstand der Association of European Jewish Museums (AEJM) an. Zugleich war er immer bereit sein Wissen zu teilen, sei es in den Fortbildungsprogrammen der AEJM, sei es in den wissenschaftlichen Beiräten verschiedener Museen, dem Editorial Board der Zeitschrift „Images. A Journal of Jewish Art“, dem Advisory Board des Central Registry of Information on Looted Cultural Property oder im persönlichen Gespräch.

Alle, die Bernhard Purin kennen, stehen fassungslos vor der Tatsache, dass er nicht mehr unter uns ist. Sein unbestechliches Urteil und sein Humor, seine Loyalität und Freundschaft, seine Integrität, seine tiefe Kenntnis und seine ungewöhnlichen und überraschenden Zugänge zur Welt der jüdischen Objektgeschichte werden uns fehlen.

Jutta Fleckenstein (Jüdisches Museum München), Felicitas Heimann-Jelinek und Michaela Feurstein-Prasser (xhibit.at), Hanno Loewy (Jüdisches Museum Hohenems), Mirjam Zadoff (NS-Dokumentationszentrum München)

 

Titelbild (Ausschnitt) Bernhard Purin, Foto: ©DanielSchvarcz

Gegen die drohende Spaltung unserer Gesellschaft können wir nur gemeinsam einstehen

Eine gemeinsame Erklärung zum Krieg in Israel und Gaza (vom 24.10.2023)

Noch immer lähmt uns Entsetzen und der Schock angesichts des pogromartigen, antisemitischen und frauenverachtenden Terrors gegen unschuldige israelische Zivilist*innen am 7. Oktober und die dadurch bereits entfesselte Spirale der Gewalt. Die fehlende Aussicht auf eine baldige gewaltlose Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern verursacht bei vielen Menschen auf beiden Seiten des Zauns und ihren Angehörigen und Freunden Gefühle von Ohnmacht, Verzweiflung und Wut. Inmitten dieses Irrsinns möchten wir ein gemeinsames Zeichen für Gewaltlosigkeit, Humanität und Heilung setzen.

Der Konflikt wird bereits auch auf den Straßen der Welt, vor allem aber in den Echokammern der sozialen Medien ausgetragen. Die Kampfhandlungen werden begleitet von einem medialen „Krieg der Bilder“. Dieser Krieg der Bilder ist Teil des Kalküls der terroristischen Hamas. Menschen sollen emotionalisiert und zum Hass auf Andere angestachelt werden. Der Konflikt soll als Auseinandersetzung zwischen Muslim*innen und Nicht-Muslim*innen wahrgenommen werden. Das unweigerliche Ansteigen von antimuslimischem Rassismus – so ist es immer, wenn vorgeblich im Namen des Islam Terroranschläge verübt werden – wird bewusst in Kauf genommen, ja es ist geradezu ein strategisches Ziel der Hamas und ihrer ideologischen Verwandten.

Damit dürfen sie keinen Erfolg haben! Wir fordern alle Menschen, die sich emotional vom Konflikt und dem aktuellen Ausbruch der Gewalt betroffen fühlen auf, weiterhin (und jetzt erst recht!) das Gespräch miteinander zu suchen und sich nicht spalten und gegeneinander aufhetzen zu lassen.

Die Zukunft der israelischen Regierung, allen voran die von Premier Netanyahu, wird in Israel offen diskutiert. Viele sehen ihn und seine rechte Regierung in der (Mit-)Verantwortung für diese Entwicklung und diese Eskalation der Gewalt. Die nächsten Wahlen werden über ihr Schicksal entscheiden. Die israelische Gesellschaft befindet sich an einem Scheideweg. Dazu gehört auch die Frage, ob die Antwort auf den Terror internationales Recht respektiert oder den Weg kollektiver Bestrafung geht.

Die Palästinenser*innen im Gazastreifen dagegen haben schon seit Langem keine Möglichkeit, selbst über ihr Schicksal zu entscheiden und sind auf Solidarität und Versorgung von außen angewiesen. Die Bevölkerung des Gazastreifens hat deshalb jede Solidarität verdient und diese äußern zu können, darf nicht automatisch mit Antisemitismus gleichgesetzt werden. Solidarisch zu sein mit dem berechtigten Wunsch der Palästinenser*innen nach Selbstbestimmung und einem Leben in Sicherheit und Würde darf aber nicht bedeuten, den Terror der Hamas in irgendeiner Weise zu legitimieren. Es muss jetzt für alle klar sein, dass die totalitäre Hamas nicht Teil dieser Bewegung für gleiche Rechte aller Menschen in der Region sein kann. Israelis und Palästinenser*innen werden auch weiterhin Seite an Seite in der Region leben und es kann nur dann eine Zukunft für beide Seiten geben, wenn nicht länger die Fantasie der Eliminierung des anderen das Handeln bestimmt.

Antisemitismus ist eine reale Bedrohung jüdischen Lebens – und die sich bereits abzeichnende neue Welle judenfeindlicher Verschwörungsfantasien bereitet uns große Sorgen. Aber weder kann Antisemitismus mit antimuslimischem Rassismus begegnet werden, noch darf der Rassismus in unserer Gesellschaft als Rechtfertigung missbraucht werden, der grassierenden Terrorpropaganda aufzusitzen.

Wir wissen, dass auf den Dialog in unserer diversen Gesellschaft neue, schwierige Herausforderungen zukommen. Aber gegen die drohende Spaltung unserer Gesellschaft können wir nur gemeinsam einstehen. Hier wie dort.

Prof. Dr. Zekirija Sejdini
Institut für Islamische Theologie und Religionspädagogik, Universität Innsbruck

Dr. Hanno Loewy
Jüdisches Museum Hohenems

Arnon Hampe, Dipl.-Pol.
#OhneAngstVerschiedenSein

 

Die gemeinsame Erklärung zum Krieg in Israel und Gaza (als pdf) 

Bibliothek

Das Jüdische Museums Hohenems unterhält eine Fachbibliothek mit rund 12.000 Bänden, darunter auch mehrbändige Zeitschriften und Buchreihen. Thematische Schwerpunkte sind jüdische Regionalgeschichte, jüdische Volkskunde und Religion, Wissenschaft des Judentums sowie Zionismus, und die Geschichte Israels, aber auch Antisemitismus und Holocaust. Zudem ist eine beträchtliche Anzahl an Nachschlagewerken, Ausstellungskatalogen sowie Zeitschriften und Arbeitsbestände zu den Themen der Museumsprojekte einzusehen.