Vorschau
Yalla Habibi! Arabisch-jüdisch? Über Identität und Mehrdeutigkeit29. September 2024 bis 24. August 2025

[Der Tag wird kommen, wenn] Juden keine Scham verspüren werden, arabische Merkmale in sich zu finden, und Araber sich nicht schämen werden zu erklären, dass sie auch jüdische Aspekte in sich tragen… (Mahmoud Darwish)

Die Ausstellung erzählt eine Geschichte darüber, wie Identitäten von historischen und politischen Umständen geformt werden und als Reaktion auf solche entstehen. Sie untersucht die Rolle arabischer Kultur(en) auf die jüdische Selbstwahrnehmung im Lauf der Jahrhunderte und deckt auf, wie diese Rolle verunklart und zurückgewiesen wurde, und heute von einer jungen Generation ganz neu wiederentdeckt wird.

Die Ausstellung erforscht dabei Geschichte und Gegenwart jüdisch-arabischer Erfahrungen und Wahrnehmungen. Beginnend mit den langen Perioden vielfältiger kultureller Beziehungen und friedlichen Zusammenlebens im Spanien des Mittelalters, dem sogenannten Goldenen Zeitalter der jüdischen Kultur, historisiert die Ausstellung das Aufkeimen einer (bewusst mit Bindestrich versehen) arabisch-jüdischen Identität im späten 19. Jahrhundert und das zunehmende Erstarken jüdischer wie auch arabischer nationaler Bewegungen.

Wie Amiel Alcalay in seinem Buch After Jews and Arabs schreibt, „beeinflusst der langwierige Konflikt zwischen dem Zionismus und palästinensischen Nationalismus seit nunmehr hundert Jahren einen Großteil des allgemeinen historischen, kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Diskurses über Araber und Juden auf die eine oder andere Art auf nachhaltige Weise.“ Diese Ausstellung sucht den Effekt zu mindern; das heißt, die Gepflogenheit, die jüdisch-arabischen Beziehungen ausschließlich vor dem Hintergrund des israelisch-palästinensischen Konflikts zu betrachten – als dem dominanten Gradmesser, wenn es darum geht, diese Beziehungen zu beurteilen – soll an die Peripherie unseres Blickfeldes verschoben werden. Es sollen vielmehr Beispiele und Narrative jüdisch-arabischer Beziehungen in den Fokus gerückt werden, die über diesen ideologischen Rahmen hinausgehen oder ihn explizit in Frage stellen. So will die Ausstellung die Geschichte des jüdisch-arabischen Zusammenlebens speziell als eine Vergangenheit erforschen, die statt Ausgrenzung eine Ahnung von Möglichkeiten vermittelt.

Thematisch verfolgt die Ausstellung zwei parallele Stränge, die auch Bezug aufeinander nehmen. Zum einen erzählen bedeutsame „Schlüsselmomente“ bespielhaft die Geschichte der jüdisch-arabischen Beziehungen und Zeiten der Koexistenz anhand einer Reihe historischer Artefakte und literarischer Bezüge. Zum anderen wird eine Auswahl zeitgenössischer Kunstwerke gezeigt, die diese Geschichte erforschen und die Frage der jüdisch-arabischen Identität(en) neu zu definieren versuchen. Einige der Künstler*innen setzen sich direkt mit den historischen Materialien und der Zeitleiste auseinander und betonen damit, welche wichtige Rolle der archivalischen Arbeit zukommt, wenn es um die Wiederherstellung und gegebenenfalls auch Erfindung neuer ‚Identitäten mit Bindestrich‘ geht – zusammengesetzte Formen der Identität also, die sich weigern, mit den Geboten der Zeit konform zu gehen.

Beteiligte Künstler*innen sind unter anderen Judith Kakon, Dana Flora Levy, Dor Zlekha Levy, Efrat Hakimi, Eli Petel, Joseph Sassoun Semah, Mona Yahia, Tamir Zadok.

Die historischen Schlüsselmomente beziehen auch die jüngeren Debatten um Formen der jüdisch-arabischen Identität mit ein: von den (häufig orientalistischen) Erzählungen, über die in jüdischen Kreisen im deutschen Sprachraum des 19. Jahrhunderts verbreitete Geselligkeit, über die Konstruktion der Mizrachim-Identität als Reaktion auf die zionistische Ideologie und Diskrimination (der Begriff verwies ursprünglich auf die orthodoxen ‚Ostjuden‘ in Europa) bis hin zum unlängst neu aufflammenden Interesse am Herausbilden einer arabisch-jüdischen Identität. Diese Auseinandersetzung wird heute von einer neuen Generation von Künstler*innen, Musiker*innen, Autor*innen, Akademiker*innen und Aktivist*innen geführt, die die Geschichte der jüdisch-arabischen Identität erforschen und nach ihrer Zukunft fragen. Insofern ist die Ausstellung als solche auch ein Unterfangen, das selbst wiederaufspüren und neu konzipieren will – und es geht auch darum, eine Geschichte, die ausgelöscht wurde, wieder zutage zu fördern und Vorstellungen über eine Zukunft zu entwickeln, in der wir die Parameter überwinden können, die uns aktuell durch den israelisch-palästinensischen Konflikt vorgegeben sind.

Mitarbeiter*innen

Konzept
Boaz Levin (Berlin)
Kurator*innen
Anika Reichwald und Hanno Loewy (Hohenems)
Ausstellungsarchitektur und -grafik
atelier stecher, Roland Stecher, Thomas Matt (Götzis)

Archiv und Objektbetreuung
Raphael Einetter (Hohenems)
Vermittlung
Angelika Purin, Judith Niederklopfer-Würtinger, Claudia Klammer (Hohenems)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Birgit Sohler (Hohenems)
Sekretariat
Martina Steiner (Hohenems)
Ausstellungstechnik
Dietmar Pöschko (Hohenems), Dietmar Pfanner (Andelsbuch)

Medienpartner
ORF Ö1
Vorarlberger Nachrichten

 

Titelbilder (Ausschnitte): Eli Petel, Hummus (2001-2003), Dana Flora Levy, Mona Yahia