Das Brettauer Haus
erzählt von Vermittler*innen des Jüdischen Museum Hohenems

Wir stehen hier vor dem Haus Schweizer Straße 17, auch „Brettauer-Haus“ genannt und lesen aus Stefan Zweigs Werk „Die Welt von gestern“, in dem er die europäischen und darüber hinaus reichenden Beziehungen seiner Familie mütterlicherseits beschreibt:

„Meine Mutter, die mit ihrem Mädchennamen Brettauer hieß, war von einer anderen, einer internationalen Herkunft. Sie war in Ancona, im südlichen Italien geboren und Italienisch ebenso ihre Kindheitssprache wie Deutsch […]. Aber die Familie meiner Mutter war keineswegs italienisch, sondern bewusst international; Die Brettauers, die ursprünglich ein Bankgeschäft besaßen, hatten sich – nach dem Vorbild der großen jüdischen Bankiersfamilien, aber natürlich in viel winzigeren Dimensionen – von Hohenems, einem kleinen Ort an der Schweizer Grenze, frühzeitig über die Welt verteilt. Die einen gingen nach St Gallen, die anderen nach Wien und Paris, mein Großvater nach Italien, ein Onkel nach New York […].

Die Familie Brettauer-Zweig steht hier stellvertretend für die vielen jüdischen Familien, die sich von Hohenems aus über Europa und die Welt verteilten. So auch die Brunners, von denen die aktuelle Ausstellung „Die letzten Europäer“ im Jüdischen Museum Hohenems erzählt. Nur so viel sei gesagt: Sie führt von Hohenems nach Triest und von da verzweigt sie sich über Europa – einschließlich Englands.

Lange bevor das uns bekannte Konstrukt Europa –die EU – existierte, setzte sich Stefan Zweig für eine Idealvorstellung – die Idee Europa – ein. Er sah in der Vereinigung Europas die einzige Möglichkeit, zukünftige Kriegsgefahr und den Nationalismus abzuwenden. Mit der Idee Europa verband er die Vorstellung von einer Einigung der europäischen Staaten zu einem übergeordneten Bund, basierend auf dem Zusammengehörigkeitsgefühl der Völker und beruhend auf den Erfahrungen gemeinsamer Vergangenheit, gemeinsamer Wertvorstellungen und Zukunftshoffnungen.

Stefan Zweig, die Brettauers, die Brunners… Es bleibt die Hoffnung, dass sie nicht die letzten Europäer waren; dass Europa in der Grundhaltung als Ort der kulturellen Vielfalt, des Humanismus, der Menschenrechte, der Aufklärung – kurz der Zivilisation im altgriechischen Sinne – nicht nur weiter bestehen bleibt, sondern durch die Europäer*innen gestärkt wird.

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Die Europaplätze in Hohenems
Ein Projekt mit dem Künstler Yves Mettler

Titelfoto: ©Land Vorarlberg/Alexandra Serra