Do., 12. Juni 2025, 19:30-21:00 Uhr Aus der Kairoer Geniza ins Bücherregal: Jüdische Erneuerung im kolonialen Ägypten Vortrag und Gespräch mit Jonathan Hirsch (Berlin)

Die jüdische Geschichte Ägyptens reicht zurück bis weit in die Zeit vor der Verbreitung der arabischen Kultur und Sprache in Nordafrika. Über viele Jahrhunderte entstand so eine Vielfalt jüdischer Gemeinschaften, zwischen hellenisierenden, sefardischen, arabischen und mitteleuropäischen Einflüssen. Die Entstehung der Wissenschaft des Judentums im 19. Jahrhundert in Mitteleuropa förderte ein wachsendes Interesse an der Geschichte des iberischen Judentums („Sepharad“) unter muslimischer Herrschaft. Im Rahmen von kolonialen Entdeckungsreisen durchsuchten jüdische Gelehrte aus Europa auch den Nahen Osten und Nordafrika nach vermeintlich verlorenen Manuskripten und eigneten sich dabei das kulturelle Erbe der sephardischen Gemeinden an, ohne dabei lebendige Traditionen und lokale Erneuerungsbestrebungen zu berücksichtigen. Ägyptens jüdische Geschichte zur Kolonialzeit wird oft mit Solomon Schechters Besuch im Winter 1896/97 in Verbindung gebracht, bei dem die Geniza der Ben-Ezra-Synagoge nach Cambridge gelangte. Die stark durch Zuwanderung aus dem Mittelmeerraum gewachsene jüdische Gemeinde war jedoch keine passive Beobachterin. Sie bemühte sich aktiv, ihr jahrtausendaltes kulturelles Erbe zu bewahren und gleichzeitig vermeintlich gutmeinenden Gelehrten Zugang zu den Texten zu gewähren. Entgegen orientalistischen Annahmen, lokale Juden könnten ihr Erbe weder schützen noch schätzen, beleuchtet der Vortrag, wie Kairos Oberrrabbiner Raphael Ben Shimon durch den Buchdruck hebräischer und judäo-arabischer Manuskripte aus der Geniza eine regionale jüdische Erneuerungsbewegung anstrebte. Doch als die erhoffte Unterstützung europäischer Gelehrter wie Schechter ausblieb, prallten Ben Shimons Ambitionen auf die Herausforderungen der kolonialen Moderne. Jonathan Hirsch promoviert derzeit am Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien in Berlin und an der Universität Potsdam. Seine Forschung konzentriert sich auf die Entstehung moderner jüdischer Wissenschaft in Ägypten, verortet im kolonialen Nexus von Wissen und Macht. In dem kürzlich von ihm mit herausgegeben Band „Minor Perspectives on Modernity beyond Europe – An Encounter between Jewish Studies and Postcolonial Thought“ (Baden Baden: Ergon, 2023) veröffentlichte er den Beitrag „Egyptian Semitism and the quest for Arab-Jewish scholarship in interwar Egypt.“ Begleitprogramm zur Ausstellung „Yalla. Arabisch-jüdische Berührungen“ 29.09.2024 bis 24.08.2025

 
Veranstaltungsort
Jüdisches Museum Hohenems
Villa Heimann-Rosenthal
Schweizer Straße 5, 6845 Hohenems
+43 (0)5576 73989-0
office@jm-hohenems.at 



Eintritt: € 9,- / 6,-

Keine Reservierung erforderlich


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