ÜberLeben in Sarajevo
Fotografien von Edward Serotta 3. März bis 17. April 1995

Seit den achtziger Jahren dokumentiert der 1949 in Georgia (USA) geborene und in Berlin lebende Fotograf und Autor Edward Serotta das Leben jüdischer Gemeinden in Ost- und Mitteleuropa. In Sarajevo hatte er im Rahmen dieser Arbeit schon vor Ausbruch des Krieges im ehemaligen Jugoslawien immer wieder gelebt und gearbeitet.
Die Ausstellung zeigt Fotografien, die zwischen 1988 und 1994 entstanden sind. Abseits der Bildsprache einer spektakulären Kriegsberichterstattung versucht Serotta darin, das Leben und die Aktivitäten der Jüdischen Gemeinde von Sarajevo  zu dokumentieren: Den in der belagerten Stadt verbliebenen Juden gelingt es bis heute, ihre Hilfsorganisation „La Benevolencija“, die in den Räumen des jüdischen Gemeindezentrums untergebracht ist, als effektive und überkonfessionelle Hilfseinrichtung in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen.

Der Krieg in Sarajevo – Eine Jüdische Gemeinde greift ein
Seit dem Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen im zerfallenden Jugoslawien hatte die Führung der Jüdischen Gemeinde in Sarajevo Vorbereitungen getroffen, ihren Mitgliedern im Ernstfall helfen zu können. Sensibilisiert durch die schmerzhaften Erfahrungen der älteren Generation im Zweiten Weltkrieg, waren schon seit Herbst 1991 Ausreise-Aktionen geplant und durchgeführt worden. Drei Viertel der jüdischen Einwohner konnten Sarajevo noch vor der Belagerung der Stadt durch die bosnischen Serben verlassen.
Die in der Stadt verbliebenen Gemeindemitglieder reaktivierten die 1892 gegründete humanitäre Hilfsorganisation „La Benevolencija“. Zahlreiche freiwillige Helfer – Moslems, Serben, Kroaten und Juden – arbeiten im Rahmen dieser Organisation zusammen, um das Überleben in der von den kriegerischen Ereignissen massiv betroffenen Stadt zu ermöglichen. In Zusammenarbeit mit internationalen Hilfsorganisationen wird
eine Nahrungsmittel- und Medikamentenausgabe, eine Ausspeisung, die medizinische Versorgung, die Post- und Nachrichtenverteilung und die Wohnungsvergabe für Menschen aller Volksgruppen aufrecht erhalten. „La Benevolencija“ organisierte darüber hinaus in Zusammenarbeit mit dem „American Jewish Joint Distribution Committee“ elf Flüchtlingstransporte, die rund 2300 Menschen, davon 1000 Mitglieder der Jüdischen Gemeinde, aus der Stadt brachten.
So versuchen die Juden Sarajevos ihren Nachbarn Nachhilfe in der schmerzvollen Lektion zu geben, die sie als Juden jahrhundertelang gelernt haben, nämlich: wie man überlebt.

Edward Serotta
Serottas Fotografien wurden in renommierten Zeitungen, wie „Time Magazine“, „Washington Post“, „Die Zeit“ oder der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlicht. Sie stehen in der Tradition der „humanistischen Fotografie“ und sind trotz ihres journalistischen Charakters Ausdruck seiner Identifikation mit den fotografierten Menschen und ihrer Geschichte. Er erzählt die Geschichte dieser Menschen, ohne seine Sympathie für ihre Rolle zu verbergen, die sie als Juden in die Lage bringt, ihre historischen Erfahrungen – ihre kollektive Erinnerung an in Jahrhunderten erlernte Überlebensstrategien – für das gemeinsame Überleben in der umkämpften und belagerten Stadt einzusetzen.

Katalog zur Ausstellung:
Edward Serotta: Überleben in Sarajevo. „La Benevolencija“: Wie eine Jüdische Gemeinde zum Zentrum der Hilfe und Hoffnung für die Bewohner einer Stadt wurde. Wien: Edition Christian Brandstätter 1994.

Eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Wien