Wie gut lassen sich Geheimnisse aufdecken? Solange eine verborgene Religionsgesellschaft sich nicht offenbaren kann oder will, ist es schwer ihren Vorstellungen und Praktiken nachzugehen; umso mehr, wenn es sich um vergangene Epochen handelt. Was wir von den iberischen (spanischen und portugiesischen) Kryptojuden wissen, ist entweder nur über Dritte (die Inquisition!) bekannt geworden oder erst aus dem Gedächtnis (re)konstruiert. Die Bezeichnung «Marrane» ist in diesem Sinne vielsagend: entstanden als Schimpfwort und Beschuldigung – dabei auf eine trügerische Konversion anspielend –, hat das Wort einen Kultstatus bekommen und lässt auf jüdische Standfestigkeit in Zeiten der Inquisition oder auf eine gewagte Identität zwischen Glaubenswelten schließen. Somit ist nicht nur die Existenz des Kryptojudaismus vielschichtig und mehrdeutig, sondern auch ihre Forschung. Die Biographie und Werke des spanischen Kaufmanns und Schriftstellers Antonio Enríquez Gómez (Cuenca, c. 1600- Sevilla 1663), von I.-S. Révah zum Muster des Marranen etabliert, ist ein Musterbeispiel dieser faszinierenden Problematik: a) Anhand seiner Familiengeschichte wird die Wirkung der Bekehrungen und der Vertreibung der Juden aus Spanien in 1492 anschaulich: Kryptojudaismus oder Assimilation, Inquisition, Exil. b) Sein Werk wurde in und außerhalb Spaniens geschrieben/gedruckt; es enthält explizite Kritik an der Inquisition, Lob für einen jüdischen Märtyrer aber auch (katholische) Heiligendramen (comedias de santos). c) Er selbst und seine Familie wurden Gegenstand einer wissenschaftlichen Polemik über die Realität des Marranismus und des Kryptojudentums.