Identitäten
„Wer bin ich?“

In der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts wurden Religion und Identität immer mehr zur persönlichen Angelegenheit. Wer Jude ist und was es bedeutet Jude zu sein, beantwortet innerhalb des Judentums nun jeder für sich.
Wer sich von der Religion löste, wurde trotzdem von großen Teilen der Gesellschaft weiter als „Jude“ angesehen.
Die zunehmenden politischen und sozialen Spannungen am Ende des 19. Jahrhunderts stellten die jüdischen Bürger vor ein neues Dilemma. Die meisten hielten am bürgerlichen Liberalismus oder ihrer Kaisertreue fest. Doch der Liberalismus wurde selbst zusehends deutschnational und antisemitisch, so wie auch die Christlich-Sozialen die Judenfeindschaft zum politischen Programm machten.
Zwischen diesen Kräften und der wachsenden Arbeiterbewegung wurde das jüdische Bürgertum politisch heimatlos. Einzelne Juden schlossen sich der Arbeiterbewegung an. Zugleich entstand in Mitteleuropa der politische Zionismus, der auf die Gründung eines eigenen jüdischen Staates drängte.
Jenseits der Tagespolitik sahen viele Juden hingegen in Wissenschaft, Bildung und Fortschritt die Möglichkeit zur Überwindung gesellschaftlicher Diskriminierung sowie ihres persönlichen Aufstiegs. weiter